Freitag, 27. Januar 2012

Tramping

Dieses Wort ist einer der falschen Freunde, die einem beim Wechsel von Deutsch zu Englisch und wieder zurueck begegnen. Das, wofuer wir das Wort benutzen, heisst im Englischen hitchhiking und wenn ein Englaender von tramping spricht, meint er wandern. Und genau das habe ich in den Fiordlands gemacht :-)

Aber der Reihe nach: erstmal verliess der Bus zu nachtschlafender Zeit - 7 am - Queenstown, was Dave und mir nach unter zwei Stunden Schlaf nur wenig Freude machte. Schnell von allen verabschiedet und weiter gings! Die Fahrt nach Bluff, dem suedlichsten Ort der neuseelaendischen Suedinsel, verlief relativ ereignislos, oder wenn es Ereignisse gab, dann hab ich die verschlafen. Am Anfang hatten wir noch tolle Blicke auf die Remarkables, die Berge rund um Queenstown.
In Bluff sind dann die, die es sich leisten konnten, auf die Katamaran-Faehre nach Steward Island gefahren. Das ist die drittgroesste Insel Neuseelands und ein Paradies fuer Pflanzen- und Vogelinteressierte, denn man hat es geschafft, dass es dort keine eingeschleppten Raeuber mehr gibt und fast die komplette Insel ist Nationalpark. Ich bin fast geplatzt vor Neid, aber fuer weniger als 24 Stunden Aufenthalt, von denen man auch nochmal mindestens fuenf schlaeft, waren mir $140 fuer die Faehre hin und zurueck dann doch zu happig. Schade, aber naechstes Mal!
Alle, die sich das nicht leisten konnten oder wollten, sind ueber Nacht in Invercargill geblieben. Sehr untouristischer, netter Ort, aber nix weiter zu tun. Also bestimmt schon, wenn man gesucht haette, aber wie die meisten hab ich den Tag und die Nacht damit verbracht, Schlaf nachzuholen, meine Fotos zu sortieren und Essen vorzukochen. Das ist jetzt naemlich meine Methode: Ich koche ein Gericht auf 4-Personen-Basis, esse etwas, tue den Rest in meine grosse Tupperdose und lebe dann einige Tage davon. Ist einerseits wenig abwechslungsreich, andererseits spart es eine Menge Geld, weil man groessere Packungen der Zutaten kaufen kann und erlaubt einem auch mal leckere Sachen - z.B. Nudelauflauf mit Lauch und Lachs: hat mich $18 im Einkauf gekostet, dafuer auch fuenf Tage von gegessen - $3.50 pro Tag, das geht echt fuer sowas gutes.

Am naechsten Tag fuhren wir ueber Te Anau - Kaffeepause, fix fuer kleine Langohren - nach Milford Sound, wo wir mit dem Boot durch den Fjord gefahren sind. Sehr touristisch, aber die direkt aus dem Wasser ragenden, bis zu 2500m hohen Berge und ueberhaupt alles war schon extrem beeindruckend und sehr sehenswert.

Es ueberwaeltig mich immer wieder und immer mehr, wie unfassbar vielfaeltig die Landschaft in Neuseeland ist - in ein paar Tagen kann man von goldenen Straenden, Kalksteinformationen ueber Regenwald, alpinen Landschaften bis zu Fjorden alles sehen. Und jedes Mal natuerlich gespickt mit faszinierender, einzigartiger Flora und Fauna und jedesmal atemberaubend auf seine ganz eigene Art. Ich muss allerdings aufpassen, nicht abzustumpfen. Wo ich herkomme, gibt's ja nunmal nicht viel. Nicht, dass ich Arpkes Felder und gerade Horizonte nicht zu schaetzen weiss, aber nunja, hat schon seine Gruende, warum die Gegend kein Weltnaturerbe ist. Und ich hab mich schon dabei erwischt, wenn ich mal wieder eine besonders beeindruckende Bergkette um einen besonders leuchtend blauen See anguckte, zu denken: "Guess what - more scenery". Irgendwie ueberfordert mich die ganze Naturschoenheit manchmal ein bisschen.

Gegen Abend kamen wir in Gunn's Camp an. Das war mal eine kleine Siedlung von Strassenbauern und deren Familien mitten im Nirgendwo, ein paar einfache Huetten, Mitte des zwanzigsten Jahrhundert gab es da noch lange keine Elektrizitaet oder Leitungswasser. Mittlerweile gibt es beides, aber der Generator wird nachts ausgestellt, also Kuehlschrank oder so'n Quatsch ist nicht und das heisse Wasser wird mit Holzfeuer bereitet. Das fliessende Wasser kommt direkt aus dem ebenfalls fliessenden Hollyford River, ist ohne Bedenken ungefiltert trinkbar, sogar das leckerste Leitungswasser in NZ bis jetzt. Dort wollte ich also drei Naechte bleiben. Die meisten aus meinem Bus haben mich angeguckt wie die Autos, ein Leben ohne Kuehlschrank?! Logisch, erstmal wird Milch gar nicht so schnell schlecht, wie man denkt und zweitens gibt's doch den kalten Fluss! Bloederweise hatte ich mein Portemonnaie in Te Anau auf der Toilette liegen gelassen, das wuerde ich also erst ein paar Tage spaeter auf der Rueckahrt wiederkriegen (immerhin, Glueck im Unglueck: ich hab es an dem so ziemlich einzigen Ort vergessen, wo der Bus zweimal durchkommt). Wie also bezahlen? Coolerweise konnte ich fuer Unterkunft arbeiten, was normalerweise in Hostels erst ab vier Wochen Aufenthalt klar geht. Das hat mich ein bisschen beschaeftigt, mir $75 gespart und auch noch die Freundschaft des aelteren Paares eingebracht, die dort im Camp wohnen und es betreuen. Obwohl ich erst ca. einen Monat ohne Arbeit war, kam ich mir schon wieder irgendwie nutzlos vor und war froh, mich mal wieder nuetzlich mahen zu koennen. Bloederweise liessen sie mich nur eine Stunde am Tag arbeiten, ich musste am zweiten Tag quasi um Arbeit betteln und selbst dann sagte Linni nach ein und einer dreiviertel Stunde: "Nun ist aber gut!" Ich glaube, Reid haette mich den ganzen Tag arbeiten lassen, wenn ich denn so sehr gewollt haette ^^ Die beiden sind so lieb, ich hatte morgens vor dem Arbeiten immer noch ein Taesschen Tee mit ihnen und weil ich Glueck und an meinen beiden vollen Tagen dort super Wetter hatte, haben sie mich zu den Starts von guten Tracks gefahren, ich musste nur zurueck hitchhiken.
Abends gab es ein bisschen Feuergetanze und Bier mit ein paar Passagieren und dem Fahrer (Digger, supernetter Mensch) vom Stray Bus. Wurde aber nicht zu spaet, gegen 1 am waren wir alle im Bett. Die mussten ja alle am naechsten Morgen schon weiter.

Am ersten Tag bin ich von der Divide ein Stueck den Routeburn Track bis zum Key Summit und zurueck gelaufen, inklusive Aufenthalt an der Spitze ca. drei Stunden. Der Weg war in extrem guten Zustand und mittelsteil - um ehrlich zu sein, genau so, wie ich ihn nicht mag. Wenn ich mich nicht auf den Weg selbst konzentrieren muss, tue ich das umso mehr auf meine schmerzenden Beine. Die Aussicht war aber super und die sich von Regenwald zu kargem Alpinen wandelnde Landschaft auch. Bloederweise waren die Batterien meiner Kamera leer und ich hatte vergessen, mir welche einzustecken, also gibt es davon quasi keine Fotos. Auf dem Rueckweg hab ich zwei Schweizer kennengelernt, die mich dann netterweise zurueckgefahren haben.

Abends bzw. nachts hab ich den schoensten Sternenhimmel gesehen, denn ich je gesehen habe und wahrscheinlich je sehen werde. Das Hollyford Valley, in dem Gunn's Camp liegt, ist durch die Berge zu allen Seiten von jeder Lichtvermutzung abgeschirmt (sofern es die im Fiodland ueberhaupt gibt) und der Generator geht ja um 10 pm aus...
Es waren so viele Sterne, ich hatte fast Probleme, den Orion und das Southern Cross auszumachen. Die Milchstrasse war ein leuchtend helles Band im Lichtermeer und ich konnte sogar Cluster sehen: Haufen extrem weit entfernter Sterne, sehen fast aus wie kleine Wolken. Und ein paar Sternschnuppen gab's auch. Ich weiss nicht, warum mir ein Traenchen kam - weil es so schoen war oder weil ich so etwas vielleicht nie wieder sehen wuerde?

Der zweite Tag wartete wieder mit exzellenten Temperaturen und Sonnenschein auf, also ab zum naechsten Walk: Lake Marian und zurueck. Einfach unglaublich! Der beste Track, den ich bis jetzt gelaufen bin! Sehr viel steiler als der Key Summit und der "Weg" bestand entweder hauptsaechlich aus Steinen und Wurzeln oder war ohne die organgenen Dreicke an Baeumen gar nicht zu finden. Die meiste Zeit handelte es sich also eher um leichtes Klettern als Wandern - genau mein Ding! Total verschwitzt, aber absolut happy bin ich durch dichten Dschungel und riesige Steinrutsche gekraxelt, zweimal musste ich sogar vertikal an Wurzeln hochklettern. Am Ende schliesslich trat man ziemlich direkt aus dem Wald an einen leuchtend blauen, klaren Bergsee mit unfassbar schoenen, schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund. Beschreiben hat wenig Sinn, guckt euch die Fotos an!
Das ganze war vom Department of Conservation ausgewiesen als dreistuendiger Weg. Normalerweise bleibe sogar ich deutlich unter deren Zeiten, aber diesmal hatten sie ziemlich genau Recht: Insgesamt war ich viereinhalb Stunden unterwegs, was damit zu tun hatte, dass ich, angekommen am See, meinte, auf die andere Seite kommen zu muessen. Vor den riesigen Gipfeln hat man einfach keine Chance, irgendwelche Entfernungen einzuschaetzen und war aussieht wie ein paar hundert Meter kann ganz leicht mal einige Kilometer lang sein. Ganz bis ans andere Ende bin ich also nicht gegangen, aber dreiviertel bestimmt, was mich hin und zurueck etwa die 1,5 Stunden gekostet hat. Auf dem Rueckweg hab ich mir noch den ein oder anderen Kratzer und blauen Fleck geholt, bergab Klettern ist durchaus gefaehrlich! Hab ich eigentlich schon erwaehnt, wie sehr ich meine Wanderschuhe liebe? Sie sind ja auch tatsaechlich schon ganz gut zum Einsatz gekommen!
Zurueck bin ich nochmal etwa eine halbe Stunde gelaufen, bis mich ein Auto mitnehmen konnte zurueck zu Gunn's Camp. Ich steh auf Wandern! Ich muss zu Hause unbedingt mal oefter in den Harz und einfach rumlaufen. Aber alleine. Ich brauch einfach mein eigenes Tempo und meinen Rhytmus und unterhalten muss ich mich auch nicht beim Gehen.
Wobei mir einfaellt, was mir am See aufgefallen ist: gerade am Anfang hatte ich das ja noch ganz stark, dass, wenn ich an einem schoenen Ort war, ich das unbedingt teilen wollte und irgendwie das Gefuehlt hatte, alles sei nur halb so viel wert, wenn niemand da ist, der das mit mir zusammen erlebt. Das hat sich geaendert. Als ich auf diesem Walk war, und besonders, als ich zum See kam, dachte ich nur: "Der Moment gehoert mir, ganz alleine. Der See, der Wald, all das Schoene um mich herum existiert gerade nur fuer mich. Niemand anderes wird den See je genau so sehen, wie er jetzt ist. Und das ist wundervoll."

Total zerstochen von Sandflys (vergleichbar mit unseren Gnitzen, aber fieser) ging es leider am naechsten Tag wieder in den Bus. Haette ich noch mehr Zeit, waere ich gern eine oder zwei Wochen geblieben...

So, und nun noch mehr Fotos. Ejoy:


1 Kommentar:

  1. Hübsche Idee: Rübensteppe als Weltnaturerbe, daran müssen wir arbeiten. Schließlich ist ein Platz freigeworden durch Dresden und dem Brückenbau ;-)) Zum Harz: der ist so menschenleer, da tiffst du garantiert niemanden ! Die Bilder sind sehr eindrucksvoll, klasse !! Grüße ans andere Ende der Welt - aus Arpke, Hainhop

    AntwortenLöschen